Die Würde der toten Lehrer - warum weiterhin digitale Distanz alternativlos ist

(Illustration: Gerd Altmann/pixabay)

Eine geschmackvoll geschminkte Frau, Erica Brown-Atkinson, Afroamerikanerin, nicht älter als Ende Dreißig, selbstbewusst und optimistisch – Lehrerin. Ein sportlicher Mann, Nicholas Glover, 53 Jahre alt, Vater zweier Kinder, humorvoll und ebenso lebensbejahend – Lehrer. Doch die Fotos der beiden Lehrkräfte vom Los Angeles Unified School District (LAUSD) stammen aus einer besseren Zeit. Beide sind tot - qualvoll an Covid-19 vor einigen Wochen verstorben, wenige Tage aufeinander folgend.

Die Schulleitung des LAUSD hat zum Zeichen der Trauer die US-Flagge auf Halbmast gesetzt. Kinder sind bestürzt, scheinen sich schuldig zu fühlen. Der zehnjährige Robin ist sichtlich mitgenommen, während er seine Gefühle gegenüber seinem Lehrer beschreibt.

Offener Umgang mit den Toten

Es sind nur zwei Beispiele von Lehrern oder Erziehern, die in den letzten Monaten durch Covid-19 umgekommen sind. Vorsichtige Schätzungen des größten US-amerikanischen Lehrerverbandes gehen von deutlich über 500 Toten unter Beschäftigten an Schulen und Vorschulen in den USA aus. Die New York Times etwa spricht Ende Januar von mindestens 530 Toten an den Schulen. ABC titelt sogar übersetzt: „Das Coronavirus raubt den US-Klassenräumen die Lehrer“.

Auch in den USA erfassen die Behörden nicht vollständig, wie viele Kollegen dem Virus zum Opfer fallen. Deshalb gehen Medien davon aus, dass es sich bei solchen Zahlen nur um die Spitze des Eisbergs handelt. Wobei es nicht nur Tote zu beklagen gilt, sondern auch mehrmals so viele Lehrerinnen und Lehrer, die das Virus so stark gesundheitlich beeinträchtigt hat, dass an ein normales Leben auf absehbare Zeit nicht zu denken ist.

Würdeloser Umgang in Deutschland

Doch immerhin nimmt die amerikanische Öffentlichkeit, allen voran namhafte Medien wie die NYT oder ABC, überhaupt Notiz von den toten Kolleginnen und Kollegen. Das nimmt Rücksicht auf deren Würde. Doch wenn eine Gesellschaft es verschweigt, abwiegelt, zensiert, so als ob nichts wäre, nimmt das ihnen die Würde – wie es in Deutschland geschieht. Während sich bestellte Gutachter in der Bundesrepublik zu Aussagen versteigen, von Schulen ginge keine Gefahr für die Beschäftigten aus, schauen die USA genauer hin.

Zwingende Gründe für die digitale Distanz

Es ist unstrittig die größte Herausforderung für das deutsche Schulwesen seit dem letzten Weltkrieg, mittels digitaler Methoden dafür zu sorgen, dass Kinder und Jugendliche an der Schule auch während der Pandemie überhaupt lernen können. Doch das ist alternativlos, will man nicht Leben und Gesundheit von Pädagogen und Pädagoginnen opfern. Einzig digitaler Unterricht hilft den Lehrkräften, solche Risiken zu vermeiden. Die Alternative ist, kämen die Bundesländer ihrer Fürsorgepflicht gegenüber ihren Lehrkräften vollständig nach, dass gar keine Schule während der Pandemie möglich wäre.

Von deutschen Lehrerverbänden war bislang keine Abwehr dagegen zu beobachten, wenn die Bundesländer die Schulen für Präsenzunterricht öffneten. Zwar halten sie regelmäßig ihre wahlweise empörten oder frustrierten Statements, doch bleibt es beim Reden. So lassen sie jeden Lehrer, jede Lehrerin mit der existenziellen Frage allein, ob er oder sie sich dem Risiko aussetzt.

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https://abc7.com/covid-19-coronavirus-covid-death-teacher/9562647/

https://abcnews.go.com/Health/wireStory/empty-desks-coronavirus-robs-us-classrooms-teachers-74277447

https://www.nytimes.com/2021/01/29/us/the-impact-of-teacher-deaths.html









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