- Studierfähig im Digital Age? ... Ungeduld mit den Schulen

 

Teaching in the Digital Age  

Bei der Jahrestagung des NRW-Netzwerks „Hochschuldidaktik im digitalen Zeitalter“ vom 26. bis 27. November zeigte sich deutlich, wie weit die Entwicklung von Strukturen zum Aufbau digitaler Lehre an Universitäten und Fachhochschulen bereits gediehen ist. Für die Sekundarstufen des deutschen Bildungswesens lassen sich auf dieser Grundlage zentrale Forderungen ableiten. Denn wer eine Schule mit der Berechtigung zum Studium verlässt, muss auf das, was ihn im tertiären Bildungswesen erwartet, vorbereitet sein. „Tertiär“ meint den Komplex aus Berufsfachschulen und Fachakademien, Fachhochschulen und Universitäten. Es geht darum zu verstehen, was auf die Schulen in Zukunft zukommen wird.

Unter dem Motto Teaching in the Digital Age soll die coronabedingte „Zwangsdigitalisierung“ inhaltlich und formal sauber strukturiert werden. Wichtige Bestandteile sind dabei digitale Lehrmethoden, Evaluations-/Qualitätssicherungsstandards und ein Netzwerk zum Austausch mit der Unterrichtspraxis. Sie sollen sich gegenseitig unterstützen und ergänzen. Auch wenn sich Hochschuldidaktik und Schuldidaktik inhaltlich zum Teil deutlich voneinander unterscheiden, könnte es formal-strukturell als Vorbild für die Schulen dienen. Hierfür müssten sich jedoch Wissenschafts- und Schulministerien stärker austauschen.

Zwischen Ablehnung und Begeisterung

Viele Lehrende und Lernende empfinden die durch die coronabedingten Bildungs-Lockdowns angestoßene Adhoc-Digitalisierung als Zumutung. Wiederum viele andere verstehen sie als ehrgeizige Herausforderung. Das ist nicht nur an den Schulen, sondern auch an den Hochschulen so. Es gilt, zwischen den beiden Positionen zu vermitteln. Meistern lässt sich das am besten, wenn sich Lehrende mit den Experten digitaler Lehre und Mediendidaktik austauschen. Das dazu nötige Netzwerk in Nordrhein-Westfalen firmiert unter dem Namen „Community of Practice“. 

Es gehört zum Projekt der Entwicklung des Online-Landesportals „ORCA.nrw“. ORCA steht hierbei für „Open Resources Campus“ mit Up- und Download-Bereichen. Lizenzfreies Open Educational Resource-Material etwa – das ist mit den Curricula abgestimmtes Lehrmaterial zum freien Zugriff – ist dabei die informationelle Basis. Das können Links zu interaktiven Lehrinhalten, Video-/Audio-Podcasts und von den Lehrenden entwickelte Unterlagen sein. Ergänzt wird dies durch Open Educational Practices, das ist der Zugriff auf Lehrmethoden, die didaktische Seite. Darauf baut sich das Lernmanagement-System auf, das allen Lehrenden und Lernenden zur Verfügung stehen wird.

Austausch zwischen Unterrichtspraxis und Lernmanagementsystem

Mit der „Community of Practice“ möchte man erreichen, dass praktische Erfahrungen mit digitaler Lehre möglichst schnell in den Austausch mit Didaktik- und Medienexperten eingehen, um sie bei der Entwicklung der Inhalte und Formen eines Lernmanagementsystems berücksichtigen zu können. Denn man hat erkannt, dass es von der Akzeptanz durch die Lehrenden abhängt, ob die von den Bildungswissenschaften erdachten Konzepte überhaupt an die Praxis anschlussfähig sind. Deshalb möchte man auf jeden Fall die Nähe zur Unterrichtspraxis.

Kritische Fragen zu den Schulen

So kam bei der Tagung auch die kritische Frage danach auf, wie man die Situation an den Schulen der Sekundarstufen so berücksichtigen kann, dass der tertiäre Bereich nicht den Sekundarbereich abhängt. Es schien, als ob man daran bislang gar nicht gedacht hatte. Dass es noch keine festen Kooperationen zwischen Wissenschafts- und Schulministerien zu geben scheint, legt eine Flanke offen, die zur digitalen Spaltung zwischen den beiden Bildungsbereichen führen könnte. Auf Hochschulseite ist eine tiefe Ungeduld mit den Schulen spürbar. Denn Hochschulen stehen im Gegensatz zu Schulen im internationalen Wettbewerb. Man will sich durch Entwicklungsversäumnisse der Sekundarstufen nicht bremsen lassen.

Neue Lerntheorie

Die Rede von einer neuen Lerntheorie macht die Runde. So meint der Erziehungswissenschaftler Edward Maloney, Professor an der Ohio State University, dass die Innovation von Lernen nicht länger bedeute, die Lernergebnisse für sich zu verbessern, sondern sie besser in ein Umfeld aus weitgehend beispiellosen [weil neuen] wirtschaftlichen Zwängen und Wettbewerb einzubetten. Das Für und Wider einer solchen Theorie wird sicher noch zu Diskussionen führen. Denn zu allen Innovationen gibt es immer auch eine kritische Distanz.
(Illustration: Gerd Altmann/pixabay)