Wie Respektlosigkeit die Digitalisierung gefährdet

 
(Illustration: Gerd Altmann/pixabay)

Im digitalen Distanzunterricht fällt noch stärker als im üblichen Unterricht auf, wenn sich Schülerinnen und Schüler respektlos verhalten. Das kann sich gegen Lehrkräfte, aber auch Mitschüler richten. Doch sich respektlos gegenüber Menschen zu verhalten, bedeutet in der Regel, sich genauso ignorant zu neuen Lernmethoden im digitalen Unterricht zu stellen.

Warum gehen Respektlosigkeit und Digitalisierung nicht zusammen? 

Gerade anspruchsvolle Veränderungen in den Strukturen von Lernen und Unterricht sind auf Mit- und Zusammenarbeit aller Beteiligten angewiesen. Dafür braucht es Teilaufgaben wie Stehvermögen, Aufmerksamkeit und Respekt gegenüber dem übergeordneten Aufgabenziel. Da die Aufgabe der Umstrukturierung an handelnde Menschen gebunden ist - schließlich erledigt sie sich nicht von selbst - ist sie darauf angewiesen, dass die Akteure die nötigen Teilaufgaben erfüllen.
 
Wenn also nicht alle Bedingungen erfüllt werden, scheitert das Hauptziel. Ich bin immer amüsiert, wenn Politiker*innen PR-trächtige Ansagen machen, z.B. die Summe X für Endgeräte oder Baumaßnahmen bereitzustellen. Aber über die vorgelagerten Bedingungen kein bisschen nachgedacht wurde. Sie offenbaren ein erschreckendes Defizit im systemorientierten und analytischen Denkvermögen. Sonst müsste ihnen klar sein, dass sie versuchen, von hinten anzufangen.

Vergleichsbeispiel gefällig?

Beispiel: Die Hochgeschwindigkeitszüge stehen schon lange bereit, aber es gibt bis dato weder geeignete Trassen, noch geeignetes Personal - und an eine logische Verknüpfung des Streckennetzes ist ohnehin nicht gedacht worden.
 
Ich habe dabei Kopfkino, sehe die tollen Fahrzeuge verrotten, weil sie nicht kausal vernünftig zum Einsatz kommen. Die Menschen müssen dann eben weiter zu Fuß gehen. Übrigens häufig ein Phänomen, das man aus nicht entwickelten Ländern kennt.

Wird nix - schlechte Voraussetzungen, Fachidiotentum und Konzeptlosigkeit

Das in etwa könnte man mit den gegenwärtigen Bedingungen an deutschen Schulen vergleichen.
Selbst wenn wir es schaffen könnten, die gesamte Lehrerschaft in der erforderlich kurzen Zeit auf ein einheitliches Kompetenzniveau beim formalen und inhaltlichen Umgang mit Lernmanagementsystemen zu bringen, bleibt das große Ziel in der asymmetrischen Beziehung (siehe Post vom 7. Oktober) zwischen Lehrer und Schüler stecken. Denn Respektlosigkeit und in deren Folge mangelnde Motivation werden viele Schüler*innen in ihrer Anschlussfähigkeit an neue Unterrichts- und Lernstrukturen behindern. Dann brauchen wir uns mit anspruchsvollen didaktischen Fragen des digitalen Lernens gar nicht erst befassen.
Mich wundert schon die Konzeptlosigkeit angeblicher Schulexperten. 
 
So wird das jedenfalls nichts. Es wird zum Flickenteppich singulärer Reparaturen im Schulsystem, weil es an Leuten mit analytischer Systemkompetenz fehlt. Die interdisziplinär denken und handeln können. Statt immer mehr Spezial-Spezialisten, nicht so nett Fachidioten genannt, brauchen wir Generalisten, die es aus sich heraus schaffen, über die Tellerränder zu blicken und genügend Einfühlungsvermögen mitbringen.